Zu lesen

Mittwoch, 21. Dezember 2005

Friederike Mayröcker

„EJ sagt, lasz mich doch allein gehen ich möchte allein ins Kino, lasz mich doch allein gehen durch die nächtlichen Straszen, die fremden Gesichter betrachten, die Kinos die Bars besuchen, ja, sage ich, und schlinge meine grünen Arme um seinen Hals, ja aber. Tauche ein in sein Augenpaar, kratze ihn wund mit meinen gläsernen Augen und gläsernen Armen mit meiner gläsernen Brust, das ist der Ursprung der Tränen.“

“…aber die groszen Zusammenhänge der groszen Bedeutungen gehen mir ab, bin nur ein Irrgast auf dieser Erde, nicht wahr, und das fliegt in der Wohnung herum, sage ich zu EJ, und ich habe jegliche Orientierung verloren und ich frage mich was soll nun geschehen, und in der Schüssel die Trauben und ein matter Nachtschmetterling darüber, und EJ sagt, die Liebe zeigt sich im Alltag und ich sage zu ihm, bin nur noch ein Echo dieser Welt bin abgerückt von allen Dingen…“

Aus „und ich schüttelte einen liebling“ Friederike Mayröcker

Montag, 28. November 2005

Kafka am Strand

Zu lesen:
„Für mich war das Leben mit zwanzig zu Ende. Alles, was danach kam, war nicht mehr als eine sich endlos dahinziehende Folge von Tagen. Mein Leben war ein langer, düsterer, gewundener Korridor, der nirgendwo hinführte. Dennoch musste ich weiterleben, indem ich einen leeren Tag nach dem anderen hinter mich brachte. Ich habe viele Irrtümer begangen. Oder nein, offen gesagt, habe ich sogar fast nur Fehler gemacht. Ich zog mich völlig in mich zurück. Es war, als lebte ich ganz allein auf dem Grund eines tiefen Brunnens. Ich hasste und verfluchte alles, was draußen war. Einmal bin ich hinausgegangen und habe so getan, als ob ich lebte. Ich akzeptierte alles und ging völlig gefühllos durch die Welt. Ich schlief auch mit vielen Männern. Irgendwann heiratete ich sogar. Aber all das hatte keine Bedeutung für mich. Alles war im Augenblick vorüber, und nichts blieb nachher davon übrig, außer den zahllosen Narben, die meine Verachtung und meine Verwüstungen hinterlassen haben. (…)“

„Wir verlieren ständig Dinge, die uns wichtig sind. (..) Wichtige Gelegenheiten und Möglichkeiten, oder unwiederbringliche Gefühle. Das macht das Leben aus. Aber in unserem Kopf – oder vielleicht sogar der Kopf selbst – ist ein kleines Zimmer, in dem diese Dinge als Erinnerung aufbewahrt werden. (…) Anders ausgedrückt, man lebt auf Ewigkeiten in seiner eigenen Bibliothek.“

Daniela Emminger „Leben für Anfänger“

Auszüge:

„ (…) Er muss es doch spüren, dass du dich am Klo vor dem Spiegel vor lauter Glück entmaterialisierst, dass du nicht mehr schlafen kannst, denken kannst, gehen kannst. Er muss doch merken, dass es Kometen nur einem in Millionen von Jahren gibt, dass das Herz links schlägt, dass die Welt still steht, dass Dramatik angebracht ist, dass die große Suche ein Ende hat, dass man irgendwo angekommen ist, dass es Einsatz braucht und Mumm, dass es die Phantasien nicht bringen, weil sie bringen´s nicht. Als ob die Liebe auf Zweisamkeit beruhte. Als ob die Liebe etwas Angenehmes wäre. Eine Sehnsucht, die mittlerweile so groß geworden ist, dass sie allumfassend scheint. (…)“

“Wie sehr wir uns über die Zuneigung anderer definieren. Wie sehr wir von der Liebe anderer abhängig sind. Wie sehr wir nach Bestätigung suchen. Wie schnell die Zeit vergeht. Wie wenig sich ändert. Wie langsam wir vorankommen.“

„Weil man irgendwann aufhören muss, die Vergangenheit mit sich herumzuschleppen, weil man ganze Lagerhallen voller Kisten und Kästen mit seinen alten Lasten, Lieben und Leben füllt. (…) Man vergisst sovieles und gewöhnt sich an alles. (…)“

„Tränen in den Augen haben beim Aussprechen von Dingen, die man ohnehin schon weiß. Gesprochenes Bewusstsein tut so weh.“

„(…) wann ist endlich Schluß mit unserer Angst, mit den Verlustängsten, Existenzängsten, Bindungsängsten, Trennungsängsten, Zukunftsängsten, wenn es doch gar nichts zu verlieren gibt?“

Zeruya Shalev - Liebesleben

“Was ist so schlecht an deinem Leben, fragte er, seine Stimme plötzlich traurig, und ich sagte, ich weiß es nicht genau, nichts Bestimmtes, nur dass es mein Leben ist und ich ihm gehöre und so tief drinstecke.“
„(…) und er sagte, dein Leben ist noch offen, warum hast du es so eilig, alles zuzumachen, auch wenn du etwas aufmachst, beeilst du dich, es bei der ersten Enttäuschung schnell wieder zu schließen. (…)“

Mittwoch, 16. November 2005

Yasmina Reza - Eine Verzweiflung

vom titel darf man sich nicht irritieren lassen, das buch ist in erster linie amüsant. allerdings wird die verzweiflung von seite zu seite spürbarer: der ganze roman ist ein einziger monolog eines alternden zynikers an seinen sohn. vollgepackt mit zorn und unverständnis, mit kompromisslosigkeit und sinnsuche. sein sohn sei eine unmotivierte alge, die nichts anderes zu tun hätte, als von strand zu strand zu reisen und sich standhaft zu weigern, irgendetwas zu erschaffen oder zu erobern. dieses sinnlose dasein gipfelt in der anmaßenden erklärung der schwester, „der dummen kuh“, die doch tatsächlich behauptet, der bruder sei glücklich – als wäre das irgendetwas positives!

yasmina reza hat in einem interview erklärt, sie bevorzugt es aus der sichtweise männlicher protagonisten zu schreiben. nur so könne sie genug distanz zu den erschafften figuren aufbauen und ihr eigenes selbst schützen. anfangs wirkt dieser frustrierte vater mit seinem ständigen gefühl mißverstanden zu werden und der unfähigkeit, veränderungen in seinem umfeld zu akzeptieren, eher lächerlich. mit der zeit wird das bild differenzierter. dieser mann fordert leidenschaft! und auch leidenschaftliche zufriedenheit, die aus dem herzen kommt und selbst geschaffen wird; und nicht bloß ein schwammiges glücksgefühl, dass man der welt abverlangt. reza selbst hat im selben interview gesagt: „das desaster der heutigen, modernen gesellschaften ist der drang zur individuellen selbstverwirklichung.“ wieviel glück darf man für sein eigenen leben fordern?

„Genaugenommen, wenn ich nie gewagt habe, das Glück in Angriff zu nehmen, ich sage in Angriff nehmen, wohlgemerkt, wie man eine Festung erobert, so was erreicht man nicht beim Papayaessen in der Sonne, wenn ich nie das Glück in Angriff genommen habe, sage ich, dann vielleicht deshalb nicht, weil es der einzige Zustand ist, aus dem man nicht herausfallen kann, ohne Schaden zu nehmen. Von einer solchen Berührung gibt es keine Heilung.“

Samstag, 12. November 2005

Anais Nin - Geheime Tagebücher

Die verheiratete Anais Nin beschreibt die Monate mit ihrem Liebhaber Henry Miller und dessen Frau June, die Anais auch verehrt. Bei ihrem Mann fühlt sie Geborgenheit und Verständnis, bei Miller Leidenschaft, mit June eine starke Verbundenheit. Sie zerfließt in ihrer Zuneigung und schreibt herrliche Briefe. Bei jedem der beschriebenen Menschen fehlt ihr etwas, doch sie liebt sie, löst sich fast darin auf. Ich hab die geheimen Tagebücher in einem durch gelesen und war fasziniert von ihrer Besessenheit. Und hab mich dauernd gefragt, wie sie neben all den Liebesnächten Zeit zum Schreiben findet...

...

Schriftstellerinnen, die mich bewegen, berühren, aufwühlen:

Anais Nin
Giocanda Belli
Lili Brett
Zeruya Shalev
Sibylle Berg
Elfriede Jelinek
Virginia Woolf
Mascha Kaleko
Simone de Beauvoir
Alice Walker
Erika Pluhar
Siri Hustvedt
Jutta Treiber
Judith Hermann
Bin für jede Empfehlung offen! Danke

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