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Donnerstag, 22. Dezember 2005

Gedanken zum Konsumwahn zu Weihnachten und generell

Wir können uns nicht mehr retten, vor den Bildern, vor den Mitteilungen, vor den Traumgebilden, die uns tagtäglich umgeben, die neue Sehnsüchte wecken, unstillbare, um Endlosschleifen von Bedürfnisbefriedigung kreisende Seifenblasen. Die Traumfrau, der Traumwagen, der Traumurlaub zerstören uns jeglichen Spaß an der Realität, denn immer ist alles andere besser als das, was wir grad in den Händen halten. Höher, weiter, schneller. Erstickend in einer permanenten Reizüberflutung kann der Mensch nicht mehr darüber nachdenken, was er wirklich will, was ihm wichtig ist, was zu seinen Glücksmomenten beiträgt. Muss er auch nicht mehr, denn die Medien wissen, was gut für ihn ist. Welches Joghurt seiner Verdauung hilft, welches Auto seinen Sexappeal erhöht, welche Bodylotion Frauen wie Göttinnen aussehen lässt, welche Versicherung die Garantien im Leben liefert, die gar nicht da sind, die verpuffen können, in einer Sekunde. All das, was wir da sehen, brauchen wir das wirklich? Macht uns das zufriedener? Die Werbung hat unsere Wünsche gut im Griff: wir wollen, wir müssen schön, strahlend, erfolgreich, sexy, aktiv, gepflegt sein. In bunten, tanzenden Farben täuscht sie uns Lebendigkeit vor, die wir im grauen Arbeitsalltag vermissen, die übertüncht wird vom tristen Fernsehprogramm und den immergleichen Kochrezepten der Frau und den quengelnden Kindern. Das soll unser Leben sein? War das wirklich alles? Da muss doch noch was kommen!
Die Rettung naht: in schicker Kleidung, mit modischen Frisuren, perfektem Make-up, in schnittigen Autos fahren sie an uns vorbei, Traumgebilde der Werbung. Fast keines der Mädchen im Playboy ist nicht retuschiert, ganz zu schweigen von jeder 0815 Schönheit, die uns, kaum bekleidet, von billigen Fernsehzeitschriften entgegen grinst. Wir stehen unter dem Druck der Bilderflut und haben gefälligst ebenso zu sein wie die zweidimensionalen Schaumschläger, denen keine Falten, Muttermale, Narben erlaubt sind, die keine Geschichten zu erzählen haben, die niemals weinen und trauern, sondern bloß Imageträger sind.
Alles können wir mittlerweile kaufen, am wichtigsten: Lifestyle. Schönheit. Wohlbefinden. Gerne auch bisschen mehr Glück, in halbkilo Säcken vakuumverpackt. Menschen kleinhalten, indem man immer wieder neue Bedürfnisse in ihnen weckt, neue Arten, ihr Geld in Konzerne zu stecken, die sich daran bereichern, immer billiger, immer liebloser zu produzieren. Menschen in Schablonen stecken, trotz werbewirksamer Betonung ihrer Individualität, ihrer Lebendigkeit, doch wir sind alle gleich, gleich manipulierbar, gleich schwach, gleich unreflektiert. Wir werden jedes Rezept auf der Suche nach Geborgenheit, Glück, Schönheit ausprobieren, immer wieder gerne, am liebsten alle auf einmal, an die Nebenwirkungen denken wir nie. Ich will, ich kaufe, ich bin. Und sieh her, mein Auto ist viel größer als Deines.
Ob Menschen hungern, ob Menschen leiden, ob es wirklich nötig ist, dass 20 Sorten Cornflakes in unseren Regalen steht, warum Kinder meine Turnschuhe basteln müssen, diese Fragen blitzen nur selten in unseren Gehirnen auf, viel zu dominant sind die eigenen, leeren Bedürfnisse, die feuerwerkartig in uns explodieren. Doch was brauchen wir wirklich? Was macht uns zufrieden? Was gibt uns Sinn?
In sich gehen. Sich fragen, was man wirklich will. Frei machen von falschen Sehnsüchten. In ein Geschäft gehen und nur kaufen, was man wirklich braucht, nichts von dem, was man sonst achtlos kauft, weil man gelangweilt ist oder unglücklich und leer, und von dem man sich – kurzfristige - Zufriedenheit erhofft. Sich bewusst werden, wer man wirklich ist, was man vom Leben will und wie man es bekommen kann. Bald weiß man, dass alles ganz leicht ist, wenn man es bewusst tut. Und dass man niemanden etwas beweisen muss.
Die wertvollsten Dinge im Leben sind doch die, die man nicht kaufen kann. Die man findet, wenn man ganz nah bei sich ist, in Momenten fließender Tätigkeit, in Stille, in Gemeinsamkeit mit anderen, in den Augen seines Kindes. All die Dinge, mit denen Werbung spielt, die Werbung für ihre Zwecke ausnutzt, um den Umsatz zu steigern, um Produkte noch bekannter zu machen, um Kunden an ihre Erzeugnisse zu binden. Das dritte Versacekleid macht nicht glücklicher als ein Rotweinabend mit Freundin, das Cabrio macht nicht zufriedener als ein Frühstück am Bett, die Creme nicht schöner als ein ehrliches Lachen. Das da, das vor Deinen Augen, ist Dein Leben, mit all seinen Makeln und Traurigkeiten und Verzweiflungen – Du wirst sehen, wie zufrieden es Dich macht, damit wahrhaftig und bewusst umzugehen.
Die Frage bleibt natürlich auch, warum wir immer hartnäckig unseren eigenen Träumen im Weg stehen. Konsequent. Wie oft formt sich der Satz: Ich muss etwas in meinem Leben ändern, ich will mich mehr um mich kümmern, um meine Verwirklichung, um meine Sehnsüchte, um meine Begabungen. Da war doch mal so etwas wie Talent, Feuer für eine Sache, fließendes Tun ohne konkretes Ziel – das größte Glück auf Erden. Doch nun verschüttet unter falschen Vorstellungen und lächerlichen Ängsten. Einige Phrasen sollten einfach aus unserem Denken gestrichen werden: das tut man nicht, was sollen denn die Leute denken, ich will nicht auffallen, mein Leben ist doch eh in Ordnung. Im Gegenteil: nichts ist so unwichtig, was andere Menschen von meiner Person halten, und dieses verlogene Leben ist keineswegs in Ordnung. Nichts davon. Weder das mit Kredit finanzierte dritte Auto in 5 Jahren noch die von Kinderhänden gefertigten, mit unzähligen Chemikalien behandelten, billigen Klamotten, und schon gar nicht all die anderen falschen Bedürfnisse, die durch die Medien und andere Menschen in uns geformt werden. Gefangen in unserem Sicherheitsdenken fehlt uns jegliche Leichtigkeit und Träumen wird zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt. Innerlich große Menschen erfüllen sich ihre wahren Träume, ohne Rücksicht auf Konsequenzen, normal kleine Menschen werden von den Träumen, die ihnen die Wirtschaft ins Herz sät, gelenkt. Menschen tragen großartiges Potenzial in sich, das absichtlich in Sackgassen geführt wird. Wenn Menschen sich klar darüber werden, wer sie sind und was sie wirklich wollen, werden sie gefährlich, weil sie eigenständig denken und Verantwortung übernehmen, nicht nur für ihr Dasein, sondern sie geben auch acht auf die Verknüpfungen zwischen allem Lebendigen. Man muss kein in Jutesäcken gekleideter Veganer werden, der sich gänzlich Medien und Konsum entzieht, man soll sich nur klar werden darüber, was wirklich im Leben zählt und was langfristig zufrieden macht. Wenn jeder sich mehr Gedanken um diese Werte machen würde statt darüber zu schimpfen, dass der Nachbar ein größeres Auto fährt und die Kollegin bei weniger Leistung mehr verdient, wäre diese Welt ein besserer Ort. Überflutung macht stumpf, Überfluss macht wahllos, Unachtsamkeit leer. Wir haben alle Möglichkeiten und keine Grenzen mehr, das lässt uns ratlos und verwirrt zurück. Wir klammern uns an jedes vorgegaukelte Idealbild, das uns auf Silbertabletten serviert wird und denken keine eigenen Gedanken mehr. Wozu auch, das haben schon Menschen vor uns erledigt – wir können nun endlich jegliche Freiheiten genießen und auskosten. Und bleiben nur leer zurück. Weil wir kein Maß kennen und keinen Verzicht. Doch, natürlich: jeder muss sparen, alles ist teurer geworden, unsere Gesellschaft ist sowieso die Ärmste auf Erden. Lebt in einem Spiegelkabinett und hechtet Trugbildern hinterher, und schuld sind die Politiker und die Ausländer. Wir haben alles, doch wir wollen nur das Falsche. Menschen müssen endlich aufhören, permanent zu jammern und sich selber leid zu tun. Geht mit Freude zur Arbeit, liebt befreit Eure Menschen, denkt selbstständig, seid Ihr selbst! Mit allem, was dazu gehört. Ihr müsst Euch nicht verstellen, weder für Euren Chef noch für Euren Mann, schon gar nicht für die Nachbarn.
Der Kommunismus ist nicht die Lösung, genauso wenig wie der Kapitalismus, und dazwischen? Nur Ratlosigkeit. Wir leben nicht in Extremen, sondern in einer gemäßigten, gelangweilten, unterforderten Welt. Der Mensch findet keinen Sinn, schon gar nicht in den Dingen, die er besitzt. Dies ist ein Aufruf zur mehr Bewusstsein! Sich selber über sich bewusst werden, über seine Träume, Wünsche, Bedürfnisse, Fähigkeiten, und dann endlich aufhören, sich selber leid zu tun oder anderen Menschen die Schuld wegen Unzulänglichkeiten zu geben. Schon in den Siebzigerjahren machte Erich Fromm auf den signifikanten Unterschied zwischen Sein oder Haben aufmerksam, doch noch immer ist Haben das Wichtigste. Die Menschen machen sich mehr Gedanken um ihre Haarfarbe und ihr Outfit, als um ihre Gedanken und Möglichkeiten. Und Möglichkeit soll jetzt nicht heißen: wie verdiene ich, ohne mich anzustrengen, das Geld, das meine Wohnung, mein Auto, mein aufgeblasenes Selbst schluckt? Sondern – wie bringe ich wieder Freude in mein Leben? Sinn? Geld ist im ewigen Kreislauf – Horten bringt genauso wenig wie unbedachtes Rauswerfen. Will ich mein Geld in lieblos produzierte H M Shirts, in Fastfood, in Bars, in schnelle Autos investieren, oder denke ich darüber nach, welche Konsequenzen mein Handeln und Eingreifen in die Wirtschaft hat? Weiß ich, was ich esse, was ich lese, was ich denke? Wie die Welt um mich beschaffen ist? Was gebraucht wird? Wer wirklich leidet? Wer Hilfe benötigt? Achtung? Unterstützung? Seid Euch Eures Lebens und Eurer Möglichkeiten bewusst. Wir sind keine Opfer – wir lassen uns dazu machen.

Montag, 28. November 2005

Aktuelle Veranstaltungen:

Zu sehen: World Press Photo Ausstellung im Innsbrucker Kongress
Die weltweit besten Pressefotografien des vergangenen Jahres der Rubriken Spot & General News, Daily Life, Natur, Sport, Portrait, Kunst & Unterhaltung

Hab ich all diese Ereignisse wieder vergessen, verdrängt, von meinem Alltag verschütten lassen? Das Betrachten der Bilder rüttelt mich auf. Das Geiseldrama in einer tschetschenischen Schule, der Hunger im Sudan, Elend in brasilianischen Favelas, trauernde, gequälte, verstümmelte, missbrauchte Menschen, Menschen, die töten, flüchten, weinen, chancenlos sind. Proteste in Bildern, Hilferufe, Dokumentationen menschlichen Leids und Hilflosigkeit. Jedes Bild zeigt ein anderes Schicksal und die Geschichten dahinter berühren. Mein Freund meinte, das sei alles Zurschaustellung von Tränendüsengefühlen, er hätte sich mehr spektakuläre Naturfotos wie die Beeindruckenden von Hurrikans gewünscht. Ich stand lange vor den Fotos, die Fremdes und Bekanntes zeigten. Oft mussten die Umstände, unter denen das Bild entstand, auch für den Fotografen unerträglich gewesen sein. Wie viel Puffer gibt der Blick durch den Sucher? Ich las mir keine Namen der Fotografen durch, manchmal achtete ich aufs Herkunftsland. Ich wollte nicht darüber nachdenken, ob es auch in dieser Jury Schiebereien oder Freunderlwirtschaft gibt, ich war einfach nur schockiert von meiner eigenen Abgestumpftheit. Es passiert soviel in einem Jahr auf dieser Welt, soviel Trauriges und Ungerechtes, Krieg, Mord, Vergewaltigung, Verschleppung, Ereignisse, die immer neuen Hass säen, auf ewig, und ich nehme mir an einem kalten Samstag eine Stunde meiner trägen Bequemlichkeit, sehe die Ausstellung, mache mir Gedanken, auch über meine eigenen kleinen, privaten Grausamkeiten, die ich begehe, spaziere später, noch kurz mit meinem Freund in eine Diskussion über die Bilder verstrickt, durch die Innsbrucker Altstadt, und werde schnell vom Glühweinstandelwahn abgelenkt. Wir lassen uns viel zu selten aufrütteln und alles dreht sich immer nur um unser eigenes kleines Leben, in dem alles so beschaulich und in Ordnung ist. Viel zu selten denken wir an andere, und treiben im eigenen Selbstmitleid. Wenn Ihr könnt, besucht die Ausstellung. Geht überhaupt mehr ins Museum, ins Theater, zu Lesungen, unter Menschen. Kämpft gegen das Abstumpfen – Euch selber und all den anderen Menschen zuliebe.

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